Eine weibliche Figur im Jüngsten Gericht, Michelangelos Meisterwerk in der Sixtinischen Kapelle, könnte auf Brustkrebs hinweisen. Diese Theorie wurde von einigen Wissenschaftlern in einer in der Zeitschrift The Breast veröffentlichten Studie aufgestellt und erregte die Aufmerksamkeit der internationalen Medien. Die in einen blauen Schleier gehüllte Frau hält ihre Rippen unter die Brust, die rechts eine Verformung aufweist, die auf die Krankheit hinweisen könnte, ebenso wie der Bereich um die rechte Achselhöhle.
Das Fresko des Jüngsten Gerichts ist Teil der Genesis-Geschichten, die der Künstler zwischen 1508 und 1512 im Gewölbe der Sixtinischen Kapelle in Rom schuf. Raffaella Bianucci, Bioanthropologin an der Universität Paris Saclay, konzentrierte ihre Analyse auf die rechte Brust der Figur. Hier erkennt man eine versenkte Brustwarze und einen unregelmäßigen Warzenhof mit deutlichen Erosionserscheinungen. Darüber hinaus ist unter der Achselhöhle ein Knoten sichtbar, der auf geschwollene Lymphknoten hinweisen kann. Diese Anzeichen können auf das Vorliegen von Brustkrebs hinweisen.
Laut Bianucci könnte diese Entdeckung darauf hindeuten, dass Krebs bereits im Jahr 1508 bekannt war, dem Jahr, in dem Michelangelo das Fresko schuf, und dass es in dieser historischen Zeit wissenschaftliche Innovationen bei der Identifizierung von Krankheiten gab. Es ist bekannt, dass Michelangelo die menschliche Anatomie eingehend studiert und Leichen seziert hatte, bevor er sich der Entstehung der Genesis-Geschichten widmete. Wenn diese Interpretation richtig wäre, könnte man die Hypothese aufstellen, dass der Künstler durch die Darstellung dieser Krankheit die Unvermeidlichkeit des Todes symbolisieren wollte.
Diese Analyse bietet eine neue Perspektive auf Michelangelos Werk und wie frühere Künstler in ihren Kreationen über Fragen der Gesundheit und Sterblichkeit nachdenken könnten. Die weibliche Figur wird so nicht nur zu einem künstlerischen Thema, sondern auch zu einem möglichen Vehikel für tiefergehende Überlegungen zum menschlichen Dasein und seinen Fragilitäten.